Es gibt nicht “Die Autismustherapie”

Autismus ist eine komplexe, lebenslange Entwicklungsstörung, die sich durch Herausforderungen in der sozialen Interaktion, der Kommunikation und durch repetitive Verhaltensweisen auszeichnet. Menschen im Autismus-Spektrum, auch als Neurodivergente oder Autisten bezeichnet, erleben diese Merkmale in unterschiedlicher Ausprägung. Da Autismus vielfältig ist, gibt es kein „Einheitsmodell“ für die Therapie. Stattdessen wird ein individuell angepasster Behandlungsansatz verfolgt, der auf die spezifischen Bedürfnisse und Fähigkeiten der betroffenen Person zugeschnitten ist.

Verhaltenstherapie

Eine der am häufigsten eingesetzten und wissenschaftlich fundierten Methoden in der Behandlung von Autismus ist die Verhaltenstherapie. Diese Therapie zielt darauf ab, unangemessenes Verhalten zu reduzieren und soziale sowie kommunikative Fähigkeiten zu fördern. Ein zentrales Element ist die positive Verstärkung, bei der erwünschtes Verhalten belohnt wird.

Angewandte Verhaltensanalyse (ABA)

Die Angewandte Verhaltensanalyse, kurz ABA, ist eine bekannte Methode zur Therapie von Kindern im Autismus-Spektrum. ABA basiert auf dem Prinzip des operanten Konditionierens. Das bedeutet, dass das Verhalten des Kindes genau beobachtet wird, um herauszufinden, welche Fähigkeiten vorhanden sind und welche noch entwickelt werden müssen.

In ABA wird für jedes Kind ein individuelles Programm erstellt. Das Programm berücksichtigt die speziellen Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes. Auch die Eltern werden stark in die Therapie einbezogen. Sie lernen, wie sie ihrem Kind im Alltag helfen können, indem sie bestimmte Verhaltensweisen verstärken oder ignorieren.

Ein Beispiel: Ein Kind, das Schwierigkeiten hat, Blickkontakt herzustellen, könnte belohnt werden, wenn es dies tut. Die Belohnung kann ein Lieblingsspielzeug oder ein Lob sein. Wenn das Kind jedoch ein unerwünschtes Verhalten zeigt, wird dieses Verhalten ignoriert, um es zu verringern.

ABA hat sich als besonders effektiv erwiesen, wenn die Therapie früh im Kindesalter beginnt. Je früher die Therapie startet, desto besser sind in der Regel die Ergebnisse. Das Ziel von ABA ist es, die Lebensqualität des Kindes zu verbessern, indem es lernt, sich besser auszudrücken und zu interagieren.

Diese Methode kann besonders nützlich sein für neurodivergente Kinder, da sie eine strukturierte und systematische Herangehensweise bietet. Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass ABA nicht für jedes Kind geeignet ist und es verschiedene Meinungen über die Methode gibt. Einige Menschen im Autismus-Spektrum empfinden ABA als zu streng oder einschränkend.

Ein weiteres Beispiel: Ein Kind, das Schwierigkeiten hat, auf Anweisungen zu hören, könnte durch ABA lernen, diesen Anweisungen besser zu folgen. Dies wird durch kleine, schrittweise Erfolge erreicht, die das Kind motivieren, weiterzumachen.

Zusammenfassend ist ABA eine Methode, die darauf abzielt, durch positive Verstärkung gewünschtes Verhalten zu fördern und unerwünschtes Verhalten zu verringern. Dies kann besonders hilfreich für Kinder im Autismus-Spektrum sein, um ihre sozialen und kommunikativen Fähigkeiten zu verbessern.

TEACCH-Programm

Das TEACCH-Programm (Treatment and Education of Autistic and related Communication-handicapped Children) ist ein umfassendes pädagogisches Konzept. Es wurde entwickelt, um die Lebensqualität von Menschen mit Autismus zu verbessern. Diese Methode betont die Strukturierung und Visualisierung von Lernprozessen und Alltagsabläufen.

Ziel des Programms

Das Hauptziel des TEACCH-Programms ist es, eine Umgebung zu schaffen, die speziell auf die Bedürfnisse von neurodivergenten Personen, auch Menschen im Autismus-Spektrum genannt, zugeschnitten ist. Diese Umgebung soll vertraut, ruhig und vorhersehbar sein. Dadurch werden die Schwierigkeiten, die oft mit Autismus einhergehen, reduziert.

Strukturierung und Visualisierung

Strukturierung bedeutet, dass der Alltag in klare, verständliche Schritte unterteilt wird. Zum Beispiel könnte ein Tagesablauf durch Bilder oder Symbole dargestellt werden. Diese Visualisierung hilft Menschen im Spektrum, sich besser zurechtzufinden und zu wissen, was als Nächstes kommt. Ein Beispiel wäre ein Plan, der den Morgen eines Kindes beschreibt: Aufstehen, Zähne putzen, Frühstücken, Anziehen und zur Schule gehen, alles dargestellt mit einfachen Bildern.

Förderung der Selbstständigkeit

Das TEACCH-Programm fördert auch die Selbstständigkeit. Menschen mit Autismus lernen durch dieses strukturierte und visuelle System, Aufgaben selbstständig zu erledigen. Zum Beispiel könnte ein Kind lernen, seine Kleidung in der richtigen Reihenfolge anzuziehen, indem es die Bilder auf seinem Plan anschaut und Schritt für Schritt folgt.

Anpassung an individuelle Bedürfnisse

Jede Person im Autismus-Spektrum ist einzigartig. Daher wird das TEACCH-Programm an die individuellen Bedürfnisse jeder Person angepasst. Ein Beispiel hierfür wäre, dass ein neurodivergentes Kind, das Schwierigkeiten hat, sich zu konzentrieren, mit kürzeren, aber häufigeren Pausen unterstützt wird.

Beispiel aus dem Alltag

Ein alltägliches Beispiel könnte so aussehen: Tim, ein Junge im Spektrum, nutzt zu Hause und in der Schule einen visuellen Zeitplan. Morgens sieht er auf seinem Plan, dass es Zeit ist, aufzustehen. Ein Bild zeigt ihm, dass er nach dem Aufstehen seine Zähne putzen soll. Danach zeigt das nächste Bild, dass er frühstücken soll. Dieses System gibt Tim Sicherheit und hilft ihm, seinen Tag strukturiert und stressfrei zu beginnen.

Elterntraining für Eltern von Kindern mit Autismus

Elterntraining ist sehr wichtig für Familien mit autistischen Kindern. Es hilft, den Stress der Eltern zu reduzieren und das Verhalten der Kinder zu verbessern. Eltern lernen dabei, wie sie besser mit den besonderen Herausforderungen umgehen können, die das Leben mit einem autistischen Kind mit sich bringt.

NAS EarlyBird

Ein Beispiel für ein solches Programm ist „NAS EarlyBird“. NAS bedeutet: National Autistic Society und mit EarlyBird wird folgendes gemeint: Früher Vogel, Frühaufsteher oder sinngemäss für die Redewendung, der frühe Vogel fängt den Wurm. Folglich sollte dieses Konzept so früh wie möglich angewendet werden, denn dieses Programm bereitet Eltern darauf vor, was sie erwartet und bietet Strategien, um Begleitsymptome wie Angst und Schlafstörungen zu bewältigen. Eltern lernen hier, wie sie ihren Kindern helfen können, besser mit diesen Problemen umzugehen.

Beispiele und Details

Stellen wir uns vor, Eltern von einem Kind im Autismus-Spektrum bemerken, dass ihr Kind Schwierigkeiten hat, zur Ruhe zu kommen und einzuschlafen. In einem Elterntraining könnten sie lernen, eine entspannende Schlafroutine zu entwickeln. Das könnte bedeuten, jeden Abend zur gleichen Zeit das Licht zu dimmen, eine beruhigende Geschichte vorzulesen oder leise Musik zu spielen.

Ein weiteres Beispiel könnte der Umgang mit sozialen Schwierigkeiten sein. Stellen wir uns vor, ein Kind im Autismus-Spektrum hat grosse Probleme, mit anderen Kindern zu spielen und zu kommunizieren. In einem Elterntraining könnten die Eltern lernen, wie sie ihr Kind in sozialen Situationen unterstützen können.

Die Eltern könnten zum Beispiel lernen, wie sie spielerische Situationen zu Hause nachstellen können, um das Kind auf den Spielplatzbesuch vorzubereiten. Sie könnten Rollenspiele nutzen, um dem Kind beizubringen, wie man sich in bestimmten sozialen Situationen verhält. Zum Beispiel könnten sie üben, wie man ein anderes Kind nach seinem Namen fragt oder wie man freundlich „Danke“ sagt.

Die Eltern könnten auch lernen, wie sie ihr Kind in kleinen Schritten an Gruppenaktivitäten heranführen. Sie könnten zunächst mit einem einzelnen Freund zu Hause spielen und nach und nach die Gruppe vergrössern. Dabei ist es wichtig, das Kind immer wieder zu ermutigen und für kleine Fortschritte zu loben.

Medikamentöse Behandlung

Medikamente werden oft zur Behandlung von Begleitsymptomen wie Angst, Depressionen oder Zwangsstörungen eingesetzt. Verschiedene, vom Arzt oder vom Psychiater verschriebene Medikamente, können diese Symptome lindern. Bei Schlafstörungen hat sich Melatonin, ein Hormon, als sehr nützlich erwiesen, da es vorallem das einschlafen erleichtert. Es ist jedoch wichtig, die Medikamente sorgfältig auszuwählen und ihre Wirkung sowie Nebenwirkungen kontinuierlich mit einem Arzt zu überwachen.

Ergänzende Therapien

Zusätzlich zu den klassischen Therapieansätzen können ergänzende Massnahmen wie Musik-, Kunst- und Massagetherapie, therapeutisches Reiten und der Einsatz von Therapietieren, wie einem Begleithund oder einem spezialisierten Autismusbegleithund die Lebensqualität von Menschen im Autismus-Spektrum verbessern. Diese Ansätze zielen darauf ab, emotionale Regulation, Kontaktfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden zu fördern.

Autismus ist eine Team-Aufgabe

Es ist wichtig, dass Menschen im Autismus-Spektrum und ihre Angehörigen Zugang zu aktuellen und wissenschaftlich fundierten Informationen sowie zu einer Vielzahl von Therapieoptionen haben, um eine bestmögliche Lebensqualität zu erreichen.

Die Behandlung von Autismus erfordert einen ganzheitlichen und individuellen Ansatz, der die einzigartigen Bedürfnisse jeder Person berücksichtigt. Ein fachübergreifendes Team aus Ärzten, Therapeuten, Pädagogen und Familienmitgliedern muss zusammen, um eine optimale Unterstützung gewährleisten zu können.

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